Ein Gedicht zur Jahreszeit (Juni)

Mit Genuss

Der Juni kam, geschmückt mit Rosen
und weißen Iris voller Pracht,
mit Nachtigall und Blütenwogen
in meinen Garten über Nacht.

Nun steh ich vor der Überfülle.
Ich weiß, es gäbe viel zu tun.
Schon fällt der ersten Blüten Hülle
und doch lass ich die Arbeit ruhn.

Ich atme tief die neuen Düfte
und schwelge in der Farbenpracht.
Leg mich in laue Sommerlüfte
und fühle, was mich glücklich macht.

Bei all dem Hacken, Harken, Gießen
ist jeder doch ein armer Tropf,
der es nicht lernt, auch zu genießen:
Der Garten wächst ihm über’n Kopf!

Ein Gedicht zur Jahreszeit (Mai)

Maler Lenz

Maigrün, Lichtblau, Dottergelb sind die Lieblingsfarben
von Herrn Lenz, der nun die Welt,
die ihm graubraun nicht gefällt,
heilt von ihren Narben.

Leuchten muss es, fröhlich sein! So ist er im Bilde.
Farbentupfer, groß und klein,
mal gebrochen und mal rein,
sprenkeln das Gefilde.

Ach, er malt ganz regellos, doch total begeistert.
Wie ein Kind, das ohne Scheu,
aber nie naturgetreu
auf die Leinwand kleistert.

Dennoch ist es wunderschön,was am Schluss entstanden.
Veilchen, Tulpen, Azaleen…
auch viel Grün ist da zu seh´n
und vor allem Himmelblau, das ist reich vorhanden.

Ein Gedicht zur Jahreszeit (April)

Ja, der April!

Ein Trommelwirbel hoch vom Baum.
Der Specht will in den alten Buchen,
die schlaftrunken erwacht sind kaum,
nach seinem Käferfrühstück suchen.

Also ein Hoch auf den April?
Kein Schlagzeug-Solo für den Lenz,
der, wie es heißt, macht, was er will…
Der selbstverliebte junge Stenz.

Das zarte Grün, das schwer vernarrt
in seine Strahleaugen blickt,
das hat er eiseskalt und hart
bei Nacht und Frost total geknickt.

Um dann bei Tag mit heitrer Miene,
mit Vogelsang und Sonne schön,
mit lauer Luft und erster Biene
zu tun, als wäre nichts geschehn.

Ja, der April! Es ist ja richtig
zu sagen, dass er närrisch sei.
Doch eines ist genau so wichtig:
Auf den April folgt stets ein Mai!

Ein Gedicht zur Jahreszeit (März)

Unverfroren

Frühling kam auf grünen Sohlen.
Hat sich in der letzten Nacht
leise, heimlich, ganz verstohlen
über unsern Zaun gemacht.

Unter seinem warmen Tritte
wachten erste Boten auf,
grüßten ihn in ihrer Mitte:
Nun beginnt der Jahreslauf!

Eben noch wie traumverloren,
tief geduckt im Erdenschoß,
lächeln sie nun unverfroren:
Lasst uns sprießen! Es geht los!

Ein Gedicht zur Jahreszeit (Februar)

Vorfreude

Naseweise Krokusnasen grünen unterm Schnee.
Und ich freue mich – und glaube kaum,
was ich da seh´.
Freue mich auf diesen bunten Blumenkindergarten.
Lauter kleine Nasen, die im Dunkeln auf mich warten.

Grüne Neugiernasen, voller safrangelbem Duft
recken ihre kalten Krokusspitzen in die Luft.
Und ich spüre förmlich, wie es unterirdisch quillt…

Kann es seither kaum erwarten
bis der ganze graue Garten
von den lauten und den zarten
Farbenklängen ist erfüllt .

Ein Gedicht zur Jahreszeit (Januar)

Ich schaue raus aus meinem Winterhaus

Ich schaue raus aus meinem Winterhaus :
Hunde führen ihre Herrchen aus .
Ziehen ihre „Kumpel auf zwei Beinen“
rutschend
hinterher an langen Leinen .

Draußen steht ein Schneemann ohne Kopf .
Gestern schon verlor der arme Tropf
seinen Hut .
Man soll , hat er erfahren ,
besser einen kühlen Kopf bewahren .

Und im Garten : An den Futterplatz
schleicht etwas heran – des Nachbars Katz !
Alle Vögel sollten „Fastfood“ essen !
Wer zu langsam is(s)t wird aufgefressen .

Ein Gedicht zur Jahreszeit (Dezember)

Erster Schnee

Schnee fällt lautlos auf die Erde,
legt sich wie ein weißes Fell,
dass es endlich Winter werde
auf den Garten, weit und hell.

Alles ist wie neugeboren,
sieht so frisch und sauber aus.
Birken wirken traumverloren
und vergnügt das alte Haus.

Ja, vergnügt sind auch die Rangen,
die schon einen Schneemann baun
und dabei im Stillen bangen:
Hoffentlich wird es nicht taun!

Leider wird, wie alle Jahre,
dieser erste Schnee nicht alt.
Doch, das ist das Wunderbare:
Noch ist Hoffnung! Es wird kalt!

Ein Gedicht zur Jahreszeit (November)

Mein Herbstbild

Dies ist ein Herbsttag , wie ich viele sah :
Die Blätter hängen kraftlos an den Bäumen .
Sie können nicht mal von der Sonne träumen
Und spüren nur : wir sind dem Welken nah .

Ein feuchtes Frösteln kriecht durch ihre Adern .
Fahlgelb die Haut – und manche fieberrot .
Was nützt es , mit dem Jahreslauf zu hadern …
Noch eine Frostnacht – und dann sind sie tot .

So wären sie in Trauer fast verloren …
Wenn nicht an jedem Zweig – in warmer Hut –
Ein neues Leben wartet – ungeboren –
Um zu verkünden . Es wird alles gut .

Ein Gedicht zur Jahreszeit (Oktober)

Herbstfest

Die Birke hüllte sich in goldne Schleier .
Die Eiche steht steif da in dunklem Braun .
Exotisch kommt der Ahorn heut zur Feier :
In Purpurrot , wie manche späten Frau´n .

Etwas zerzaust in Blassgrün ist die Linde .
Sie lächelt leicht verlegen und auch matt .
Der Wind , er koste nicht nur ihre Rinde …
Er zupfte auch vom Zweig so manches Blatt .

Die Buche , diese strenge Gouvernante ,
trägt Silbergrau und Altgold – sehr gediegen .
Erinnert sich an stürmische Bekannte
aus ihrer Jugendzeit – und guckt verschwiegen .

Nur zwei verkahlte Fichten flüstern leise
von ihrer alten – und der neuen Jugend .
Sie sind vor Neid ganz grün – und nicht sehr weise :
Wer Nadeln hat , bewahrt leicht seine Tugend !

Nun bläst der Wind sein Lied : Auf , auf zum Feste !
Und wirbelnd hebt er an , der Blätterreigen .
Und eifrig wiegen sich im Takt die Gäste …
Ein letztes Mal geschmückt vor´m Winterschweigen .

Ein Gedicht zur Jahreszeit (September)

September-Schmetterling

Da torkelt ein Admiral durch die Luft.
Er sucht wohl die blässliche Rose…
Sie lockt ihn mit süßlichem Spätfrauenduft,
auf dass er noch einmal sie kose.

Er hat nun die Wahl, der ältere Herr,
von Astern bis zu den Zyklamen.
Da fällt die Entscheidung ihm unendlich schwer:
Wen wählt man denn aus von den Damen?

Ist’s schöner, man gaukelt zur Glattaster hin?
Die ruft gleich mit hunderten Schwestern:
„Komm, sei unser Gast! Hier machst du Gewinn!
Wir sind frisch erblüht – nicht von gestern!“

Dort hinten, da wartet im grünrosa Kleid
die reifere Braut – Fette Henne.
Sie sagt nur: „Mein Alter! Nun sei doch gescheit!
Ich pass zu dir, weil ich dich kenne.“

Ja, das ist wohl wahr! Doch wüsst er auch gern,
was andere Damen so bieten.
Es zieht ihn zum zartlila Schmetterlingsstrauch
mit seinen verlockenden Blüten.

Ach, Schmetterlingsstrauch! Ja, Schmetterlingsflieder!
– Wie war er beim ersten Mal schüchtern –
Den liebte er auch – und auch immer wieder –
Am Ende war er nicht mehr nüchtern.

Heut kann keine Blüte den Alten betören,
wenn faulig und süß so ein Duft
von Pflaumen und Äpfeln, die sonnensatt gären,
ihn fort in den Obstgarten ruft
Da trinkt er nun selig, ist sternhagelvoll,
und kichert ganz fröhlich: September ist toll!