Ein Gedicht zur Jahreszeit (April 2023)

Der Launing

„Launing“ so hieß einst der April.
Dies Markenzeichen klebt ihm an.
Er ist ein unbeständiger Mann –
und weiß oft selbst nicht, was er will.

Erst küsst er sommerheiß den Garten …
Und prompt verführt er frühe Triebe
nun anzunehmen, es sei Liebe,
sich hinzugeben, nicht zu warten.

Um dann, in jäher übler Lust,
mit Hagelschloßen, Windessausen
vernichtend übers Land zu brausen,
alles zerstörend voller Frust.

Ist es nun Frühling oder nicht?
Entscheidet er von Stund zu Stunde.
Sein Wankelmut schlägt manche Wunde…
Dann wieder blendet uns sein Licht.

Doch wenn die Löwenzähne sprießen,
die Wiesen gelbgrün übergolden,
die Knospen prall an Fliederdolden,
dann lasst uns den April genießen!

Ein Gedicht zur Jahreszeit (März 2023)

Schmuddelwetter

Der Regen leckt mit nasser Zunge
den letzten Schnee vom Rasen weg.
Der Westwind bläst aus voller Lunge,
vergrünt das Schneetuch Fleck um Fleck.

Korallenbäume, schneeverkrustet,
die stehen nackt nun, braun und fahl.
Was ihr vom Winterzauber wußtet…
Er ist dahin.        Es war einmal.

Nur eine trübe Nebelbrühe
verfärbt den Schmutz in mildes Grau
.
Der Frühling gibt sich alle Mühe…
Bald wird der Himmel wieder blau.

Ein Gedicht zur Jahreszeit (Februar 2023)

Meldung in den Medien, Dienstag 24.01.2023:
Ab sofort dürfen Hausgrillen, Wanderheuschrecken, gelbe Mehlwürmer
und die Larven des Getreideschimmelkäfers als Lebensmittel
Verwendung finden.

Februar ist Larvenzeit!

Ja, wir leben in närrischen Zeiten!
Über Geschmack, da soll man nicht streiten…
Also: Ab heute die Bratwurst verstecken!
An ihrer Stelle mal Hausgrillen snacken!
Richtig! Ich mache daraus gar kein Hehl:
Mehlwürmer färbten den Kuchen so geel.
Klingt dir „Getreideschimmel“ zu eklig?
Larven des Käfers sind nicht mehr beweglich.
Sie landen zu Pulver gemahlen und trocken
als Proteinbooster in Zart-Frühstücksflocken.
Denn schließlich:
Sie sind ja so leicht zu vermehren.
Sie fressen kein Gras, keine Abfälle stören.
Sie brauchen zur Züchtung nur ganz wenig Platz –
und sind für die „Ökos“ ein riesiger Schatz.

Und wer soll sie essen?
Ich, du, jedermann!
Am besten, du fängst damit heute gleich an!

Was fragst du?
„Ist das auch wirklich vegan? Insekten sind Tiere!“
Na, stell dich nicht an!
Was heißt da: „Ich muss mich jetzt gleich übergeben!“
Als „last generation“ geht’s ums Überleben!
In China, da essen sie doch sogar Hunde!
Was ist schon dagegen ’ne Motte im Munde?
Und übrigens, kannst du dich nicht überwinden,
dann rate ich dir, einen Ausweg zu finden:

Entweder du willst nun am Hungertuch nagen,
oder – du musst die Politiker fragen:
Ob sie sich denn auch ans Szenario halten
und ihre Ernährung ganz anders gestalten?
Ist Kaviar nunmehr aus Ameiseneiern
und Blattlaus-Sekret der Champagner beim Feiern?

Wir leben in unappetitlichen Zeiten!
Mein Kind, vielleicht hilft’s, sich drauf vorzubereiten?!?

Ein Gedicht zur Jahreszeit (Januar 2023)

Kurzes Intermezzo

Nun ist es soweit:
Heut Nacht hats geschneit!
Und alles ist weiß;
der Teich voller Eis.
Die Wege voll Schnee,
wohin ich auch geh.
Die Häuser mit Mützen.
Sogar auf den Pfützen
da bleibt eine Decke,
damit ich erschrecke,
denn drunter ist’s glatt.
Und schon lieg ich platt!
Ich könnte am Zaun
ein Schneemännchen baun!
Vielleicht auch ein Paar
wie voriges Jahr…

Doch schon wird es nasser…
Nun ist alles Wasser!

Ein Gedicht zur Jahreszeit (Dezember)

Dezember

Ist das nicht die „stade Zeit“,
wie die Alten sagen?
Vorfreude, Besinnlichkeit,
Lichterglanz, Familienzeit,
die uns so behagen?

Rieselt da nicht leise Schnee?
Reifen da nicht Träume?
Schwebt da nicht die Weihnachtsfee
über Lichterbäume?

Ach, es war – und war auch nicht…
Heut fehlt diesen Tagen
Stille, Wärme, Ruhe, Licht,
höre ich oft sagen.

Stress und Hektik herrschen nun.
Zuviel zu bedenken:
Tausend Dinge noch zu tun.
Was soll man wem schenken?

Ist’s die Zeit, die uns so jagt?
Jagen wir die Stunden?
Haben wir in Perfektion
unser Glück gefunden?

Der Dezember ist und bleibt
immer treu und unverwandt.
Was der Mensch dagegen treibt,
liegt allein in seiner Hand.

Ein Gedicht zur Jahreszeit (November)

Herbstblut

Das Herbstblut tropft
und grünes Blattwerk
färbt sich dunkelrot.

Die Adern sind verstopft.
Gar bald schon ist es tot.

Noch leuchtet es in wilder Glut
und klammert sich ans Leben,
trotzt Stürmen und der Regenflut.
Es will sich nicht ergeben.

So leuchtet es im letzten Schein
der tiefen Abendsonne.
Erinnert mich an roten Wein
und manche Sommerwonne.

Der Herbst ist wund.
Er wird im Kampf des Jahres unterliegen.
Er treibt es bunt.
Doch letztlich wird der Winter ihn besiegen.

In diesem Kampf wird jedes Jahr
erneut sein Blut vergossen.
Doch bleibt es, wie es immer war:
Die Rückkehr ist beschlossen.

Ein Gedicht zur Jahreszeit (Oktober)

Herbstsignale

Heut tönte fern ein Herbstsignal –
ein Kranichschrei – vom Himmel .
Die Flammenblumen wurden fahl .
Die bunten Astern sind schon kahl
und mehltauweiß vom Schimmel .

Bis Mittag liegt der Morgentau ,
hängt naß an jeder Blüte .
Der Morgen neblig , feucht und rau ,
Die Abende nicht länger lau
und voller Sonnengüte .

Kein Laub , so papageienbunt
mag mich darob betrügen :
Von Tag zu Tag , von Stund zu Stund :
Der Sommer ist schon todeswund
und kann uns nicht belügen .

Er bäumt sich auf ,
er widersteht :
Es gibt so viel zu sehen …
Doch geht es , wie es immer geht :
Der ganze Farbenrausch – zu spät …
Er wird wie stets vergehen .

Ein Gedicht zur Jahreszeit (September)

Altweibersommer

Sommer für die alten Weiber.
Wärmen wohlig ihre Leiber
leicht geschürzt, um sich zu aalen,
in den milden Sonnenstrahlen.

Spinnen nun Gedankenfäden.
Lassen ihre Worte schweben,
die sie zu Gedichten weben.
Fein gesponnen. – Nicht für jeden.

Wer sie einfängt wird sich fragen:
Was soll dieses Zeugs mir sagen?
Kleben mir selbst im Gesichte.
Dabei mocht ich nie Gedichte!

 Nun, dann schick sie in das Blau
weiter, um den alten Knaben
aufzufinden, der sie haben
will – die Sommer-Spinnen-Frau!

Ein Gedicht zur Jahreszeit (August)

Hochsommer

Jedes welke Blatt – ein Abschied
           von des Sommers Fülle.

Sonne, farblos, matt nur
           blinzelt in die neue Stille.

Was grün einst war,
           wird schrumplig, erdig-grau.

Das Mädesüß sogar
           gleicht einer alten Frau.

Das Gras im Rasen,
           das so schnell geschossen,

wächst langsam nur –
           und wirkt dabei verdrossen.

Der Garten döst und glüht,
           als hätt er Fieber.

Der Wind schläft ein. –
           Ein Wölkchen zieht vorüber.

Ein Gedicht zur Jahreszeit (Juli)

Rose

Die Rose, sie entblättert sich…
Sanft fallen seidige Hüllen
und gleiten lautlos dicht an dicht
zu Boden, den sie füllen.

Zuviel der Sonne, zuviel des Lichts!
Auch Fülle kann ermüden…
Nun steht sie da – ein grünes Nichts –
und ist mit sich zufrieden.

Wie war es gut! Wie war sie schön!
So voller Duft und Leben!
Wie lau die Luft! Nun wird sie geh’n –
und es wird andre geben.